Der große Durchbruch in der Kosmologie oder eine Seifenblase, die in Kürze zerplatzt ? Die Pressemitteilung der ESA zur Entdeckung von „ Dunklen Sternen“ scheint geradezu einem Science Fiction-Roman zu entspringen- zumindest vom Titel her. Gibt es Dunkle Sterne? Und was sind Dunkle Sterne? Ist das seriös, was die verschiedenen Nachrichtenportale berichten?
Die Angelegenheit ist zu spannend, als das man sie in der Tagespresse abarbeitet. Ihre Geschichte geht 100 Jahre zurück.
In den 1930er Jahren untersuchte der Schweizer Astronom Fritz Zwicky die Eigenschaften von Galaxien im Coma-Galaxienhaufen. Er fand heraus, dass die Eigengeschwindigkeiten der Galaxien viel zu hoch waren um den Haufencharakter zu bewahren. Die beobachtete Masse der Galaxien reichte bei Weitem nicht aus, um die Galaxien gravitativ aneinander zu binden. Der Coma-Haufen sollte eigentlich regelrecht auseinanderfliegen. Zur gleichen Zeit untersuchte der Niederländer Jan Hendrik Oort die Eigenschaften der Milchstraße.
Es war die Zeit, als man noch darüber diskutierte, ob die Milchstraße das Universum sei oder ob die Milchstraße nur eine von vielen Welteninseln im Universum sei. Die Diskussion ging als Große Debatte in die Wissenschaftsgeschichte ein. Jener niederländische Astronom Jan Hendrik Oort, der sich unter anderem mit den Geschwindigkeiten von Sternen in unserer eigenen Milchstraße beschäftigte, wunderte sich über die noch recht hohen Eigengeschwindigkeiten der Sterne, die weiter vom Zentrum der Milchstraße unterwegs sind. Man ging davon aus, dass die Sterne, die weitab vom Zentrum der Milchstraße unterwegs sind, langsamer sein mussten. Doch die beobachteten Geschwindigkeiten hätten zu Folge gehabt, dass die Sterne der Gravitation der Milchstraße entkommen würden. Es fehlte offenbar an leuchtender Masse. Zwicky führte die Hypothese der Dunklen Materie ein, die das Massenproblem erklären sollte. Es sind nahezu 80% der Gesamtmasse, die man der Dunklen Materie zusprechen muss. Die Dunkle Materie ist also keine Randnotiz. Sie gehört zu den dominanten Kräften der kosmischen Entwicklung. Tragischer Weise gibt bis heute keine zufriedenstellende Theorie zur Dunklen Materie. Die Entdeckung der Dunklen Energie in den 1990er Jahren war noch überraschender und stellt die Kosmologie vor noch größere Rätsel. Aber das ist ein anderes Thema.
Viele Kandidaten wurden für die Dunkle Materie erdacht und man liest von MACHOS, WIMPS, Cold Dark Matter, Hot Dark Matter, Axionen oder der MOND-Theorie, die ohne Dunkle Materie auskäme. Aber wie gesagt, das Rennen ist offen und auch wenn die Existenz der Dunklen Materie als gesichert gilt, hat man sie dennoch nicht entdeckt. Sie macht sich nur durch die gravitative Wechselwirkung bemerkbar.
Für die beobachtende Astronomie gilt das James Webb-Teleskop (JWST), dass im Jahr 2022 seine Arbeit aufnahm, als Meilenstein. Und das zu Recht. Schon in den ersten Monaten konnten ferne Galaxien entdeckt werden, die es eigentlich nach den bisherigen kosmologischen Vorstellungen nicht geben dürfte. Je weiter entfernt eine Galaxie ist, desto jünger erscheint ihr Bild. Wir schauen schließlich mit zunehmender Tiefe in den Raum auch in die Zeit zurück. So fand das JWST Galaxien, die nur wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall vorhanden waren. Man rechnete nicht damit, dass sich diese komplexen Gebilde so schnell bilden konnten.
Im Sommer 2023 beobachtete das JWST drei Objekte, die noch mysteriöser erschienen. Es waren leuchtkräftige Objekte, die im Infrarotlicht zu beobachten sind. Diese Objekte existierten gute 400 Mio. Jahre nach dem Urknall. Ihre Leuchtkraft von mehreren Millionen Sonnen deutet auf frühe Galaxien hin. Dafür ist die Zeit aber zu knapp gewesen. Galaxien sollten sich erst nach etwa einer Milliarde Jahre gebildet haben. Dieser Umstand führte zu einer sehr radikalen Hypothese. Diese 3 Objekte sind keine Galaxien- es sind riesige Sterne. Sterne einer besonderen Art, die nur wenig mit den heutigen Sternen gemein haben.
Davon ausgehend, dass neben den Elementen Wasserstoff und Helium im frühem Universum beachtliche Mengen an dunkler Materie vorhanden gewesen sein muss, war man schon recht früh der Ansicht, dass die Dunkle Materie ein entscheidender Faktor bei der Bildung von Galaxien gewesen sein muss. Die Dunkle Materie kann sich wegen der geringen Wechselwirkung mit anderen Teilchen leichter verklumpen und mit ihrer Masse als Keime der Galaxienbildung fungieren. Nun gehen die Astronomen noch weiter. Ausgehend von der Existenz von WIMPs ( Weakly interacting massiv particles) als Bestandteil der Dunklen Materie , stellen sich die Wissenschaftler Sterne vor, die in ihrem Innern aus WIMPs und deren Antiteilchen bestehen. Hierzu würde sich das sogenannte Neutralino anbieten, welches ein vorhergesagtes Teilchen der Supersymmetrie ist, einer Theorie der Teilchenphysik. Dieses Neutralino würde wie ein fehlendes Puzzleteil passen. Finden sich im frühen Universum bei hoher Dichte der Dunklen Materie die Neutralinos und ihre Gegenstücke, die Anti-Neutralinos, so würden sie sich in Energie zerstrahlen. Sie würden dann genau die Energie liefern, die unsere Dunklen Sterne zum Leuchten bringen. Warum aber sieht man das dunkle Leuchten ? Hierzu benötige man herkömmliche Materie, wie Wasserstoff und Helium. Die energiereiche Strahlung würde die Umgebung aufheizen und das frühe Gas zum Leuchten anregen und die Sterne sichtbar machen. Dunkle Sterne wären übrigens riesig. Sie hätten Radien von mehreren astronomischen Einheiten. Ein typischer dunkler Stern würde sich vom Sonnenzentrum bis zur Jupiterbahn ausdehnen. Noch sind diese Sterne nicht nachgewiesen. Dennoch liefern die dunklen Sterne eine Möglichkeit ihrer Existenz zu bestätigen. Die Strahlung des Sterns würde durch relativ kühle Wasserstoff und Heliumwolken des frühen Universums laufen und dort von den Atomen bei bestimmten Wellenlängen absorbiert werden. Würde man bei einer Wellenlänge von 1640 Angström die Heliumlinie nachweisen, so wäre die Existenz eines solchen Sterns fast sicher. Findet man nichts, so kann man die Theorie verwerfen.
Die Wissenschaftler würden die Existenz dunkler Sterne begrüßen. Sie erklären die schnelle Entstehung erster Sterne und würden auch die Bildung schwergewichtiger Schwarzer Löcher fördern. Die Schwarzen Löcher sind die „Keime“ entstehender Galaxien. Die Dunkle Materie ist ein sehr wirksamer Katalysator für die Galaxienbildung in der Frühzeit des Universums. Das Neutralino wurde auf der Erde bisher noch nicht direkt nachgewiesen. Die Beobachtung Dunkler Sterne sind aber ein gutes Indiz für die Existenz dieser Teilchen.
Im Prinzip ist dies ein richtiger Glücksfall. Vorhergesagte Teilchen der Supersymmetrie bestätigen die Dunkle Energie und liefern dabei eine Erklärung für die Entwicklung früher Galaxien. Zudem liefern sie mit der Beobachtung der Absorptionslinien des Heliums noch die Bestätigung oder Nichtbestätigung ihrer Existenz. Das ist allerdings noch nicht gelungen.
Wie gesagt, entweder liefern die drei Objekte einen Durchbruch in der Kosmologie mit Erkenntnissen zur Dunklen Materie. Oder die Angelegenheit wird widerlegt und ist eine Sackgasse!