KIC 1114523 ist das rundeste Objekt im Weltall. Zumindest ist es das rundeste Objekt, das die Astronomen bisher entdeckt haben. KIC11145123 ist ein „gewöhnlicher“ Blauer Riesenstern, der 4000 Lichtjahre entfernt ist. Er gehört zu den Veränderlichen Sternen des Delta Scuti-Typs und… er besitzt mindestens einen Planeten. Ein ganz gewöhnlicher Stern ist er dann wohl nicht. Blaue Riesensterne sind in der Milchstraße eher rar. Es ist daher schon erstaunlich, dass dieser Stern fast eine perfekte Kugel darstellt. Sein Durchmesser von 3 Millionen Kilometer ist doppelt so groß, wie der unserer Sonne. Dabei ist der Äquatordurchmesser nur 3 km größer als der Poldurchmesser. Im Vergleich dazu ist unsere Sonne ein Ei. Der Äquatordurchmesser der Sonne ist 10 km größer als der Durchmesser an den Polen und das bei einem Gesamtdurchmesser von 1,395 Mio Kilometern. Sterne und Planeten sind in der Regel nicht perfekt rund. Wegen ihrer Eigenrotation werden sie zu Rotationsellipsoiden. Die Pole werden bei der Rotation etwas abgeflacht. Im Fall des Sterns KIC11145123 ist die Rotationsgeschwindigkeit erstaunlich gering. Er dreht sich in 99 Tagen um die eigene Achse. Die Sonne benötigt etwa 30 Tage für die Eigenrotation. In unserem Sonnensystem ist der Gasriese Jupiter wohl der Spitzenreiter in Sachen Abflachung. Seine Rotationsgeschwindigkeit lässt ihn in etwa 10 Stunden um die eigene Achse drehen. Jupiters Äquatordurchmesser beträgt 142984 km und der Poldurchmesser nur 133708 km. Diese Abflachung kann man bereits im Teleskop wahrnehmen.
KIC11145123 Rekt: 19h 41m 25,34s Dekl: +48° 45′ 15″
Die Daten alleine sind schon beeindruckend. Wie aber hat man die Diagnose für das rundeste Objekt im Weltall anstellen können? Kein Teleskop der Welt kann diesen Stern als Kugel wahrnehmen, geschweige denn vermessen. Das Zauberwort heißt Asteroseismologie. Wir kennen den Begriff der Seismologie in Zusammenhang mit Erdbeben auf der Erde. Man könnte dies auf das Beben der Sterne übertragen. Sterne beben aber anders als die Erde. Erdbeben treten sehr unregelmäßig auf und variieren stark in der Amplitude. Bei Sternebeben beobachten wir eher das Schwingen eines Sterns. KIC11145123 pulsiert sehr leicht und diese Pulsationen machen sich durch einen Lichtwechsel bemerkbar.Das Kepler-Teleskop, welches speziell für die Messung von Helligkeitsschwankungen an Sternen eingesetzt wird, überwachte den Stern einige Jahre. Kepler beobachtete von 2009 bis 2018 ein Sternfeld im Sternbild Schwan um dort nach extrasolaren Planeten mittels der Transitmethode zu suchen. Als Beifang gelangen auch gute Datenaufnahmen für die Bestimmung der Pulsation des Sterns. Die Form der Pulsation gab eine gute Sinuskurve wieder. Daraus ermittelten die Astronomen die perfekte Kugelform des Sterns. Die Asteroseismologie ist eine noch nicht so alte Methode der Untersuchung von Sternen. In den 1960er Jahren entdeckte der amerikanische Physiker Robert B. Leighton ein Schwingungsmuster mit einer Frequenz von 5 Minuten bei unserer Sonne. Das war der Einstieg in die Helioseismologie und später in die stellare Seismologie.
Die Schwingungen eines Sterns sind die Folge der Energieerzeugung im Innern des Sterns. Der Stern gerät ins Pulsieren, weil es in der Schale um den Kern zu einem Energiestau kommt. Mit zunehmender Temperatur nimmt auch die Opazität zu. Der Energietransport wird blockiert bis zu einem kritischen Punkt, der dann eruptiv die Energie freisetzt. Schallwellen breiten sich aus und werden an der Sternoberfläche reflektiert. Auf der Wanderung ins Innere des Sterns kann sich der Schall wegen der immer größer werdenden Dichte schneller ausbreiten. Dadurch verändert er seine Richtung und gerät an anderer Stelle wieder an die Oberfläche des Sterns. Es entsteht ein Schwingungsmuster, welches den ganzen Stern erfasst und dass sich durch winzige Helligkeitsschwankungen bemerkbar macht. Man kann, wie bei den Schwingungen der irdischen Erdbeben Rückschlüsse auf den inneren Aufbau des Sterns machen.
Die Schwingungen liefern heute unter anderem Daten zum Alter eines Stern, natürlich der Erscheinungsform und dem inneren Aufbau des Sterns. Die Seismologie liefert aber keine absoluten Daten. Man kann mit ihnen aber gute Aussagen treffen, wenn man die seismologischen Daten im Kontext mit weiteren Messdaten betrachtet. Hierzu werden komplexe Simulationen an Sternmodellen durchgeführt.
Es ist immer wieder erstaunenswert mit welchen Methoden Wissenschaft betrieben wird und welche Werkzeuge dazu entwickelt werden. Sicherlich ist die Beobachtung von Gravitationswellen oder das Untersuchen von Schwarzen Löchern spektakulärer. Aber die subtilen, weniger prominenten Untersuchungsmethoden liefern auch spannende Ergebnisse. Die Schlagzeile im Jahr 2016 als KIC1114523 als rundester Stern des Universums bekannt wurde, wird Staunen und Kopfschütteln bei den Lesern ausgelöst haben. Vielleicht haben sich auch einige Leute gefragt, ob die Suche nach Kugeln im weiten Weltall die Forschungsgelder wert ist. Aber es ist eben ein interessanter Beifang, der ebenfalls verarbeitet werden kann. Das Bild vom Weltall und insgesamt der Natur ist ein riesiges Puzzle. Und ein noch so kleines Puzzleteil kann zum Gesamtbild beitragen. Die Asteroseismologie hilft uns jedenfalls beim Verständnis der Sterne und der Sonne.
Das kugelförmigste Objekt, das man bisher kennt, ist eine irdische Kugel, die von Wissenschaftlern in Braunschweig hergestellt wurde. Genauer gesagt, sind es zwei Kugeln von 9,375 cm Durchmesser. Die Abweichung von der Kugelform ist nur 70 Millionstel Millimeter. Das ist nochmal um den Faktor 10 weniger als der Stern, wenn man es maßstäblich betrachtet. Die Kugeln wurden benötigt, um die Masse des Urkilogramms genauer zu bestimmen.