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Das Lithiumproblem

Etwas westlich des Weihnachtsbaumsternhaufens gelegen findet man den goldgelben offenen Sternhaufen Trumpler 5.  Visuell dürfte der Haufen eine schwere Nuss sein. Auf dem Foto erscheint er sehr sternreich und aufgelöst. Und er ist mit 6 Bogenminuten riesig. Der Haufen ist 9000 Lichtjahre entfernt und ist anscheinend ein sehr alter Haufen.  Normalerweise sind offene Sternhaufen wenige 10 bis 100 Millionen Jahre alt. Trumpler 5 ist aber wohl über 2 Milliarden Jahre alt. Die rötliche Färbung erklärt sich aber mit der  Lichtabschwächung durch Staub und Gas zwischen dem Sternhaufen und uns.

Im Jahr 2012 untersuchte eine  Gruppe von Astronomen einen Lithiumreichen Stern im Haufen Trumpler 5. Sie untersuchten mit dem VLT in Chile den Stern #3416 in dem Sternhaufen und fanden eine sehr starke Signatur des Elements Lithium im Spektrum desselben.

Klingt nicht so aufregend, aber das Lithium ist schon etwas Besonderes.  Jeder Haushalt hat  zwar Lithium in Form von Akkus  parat und auch die Industrie verwertet Lithium gerne als Rohstoff.  Reines Lithium kommt in der Natur aber eigentlich nicht vor. Es ist mit 3 Protonen (und 3 oder 4 Neutronen zumeist) das leichteste Alkalimetall und damit sehr reaktiv. Die Lithiumvorkommen auf der Erde werden auf 80 Mio. t geschätzt.  Damit kann man einige Akkus bestücken.  In der Elementhäufigkeit der Erdhülle nimmt Lithium den 27. Platz ein. 

Lithium  gehört zu den primordialen Elementen, die in geringen Mengen nach dem Urknall entstanden sind. Etwa 300000 Jahre nach dem Urknall war der Kosmos soweit abgekühlt, dass sich die ersten Elemente synthetisieren konnten. Der größte Teil mit 92% war der Wasserstoff, etwa 8 % Helium und eben geringe Spuren von Lithium und Beryllium wurden ebenfalls gebildet.   Von diesem primordialen Lithium ist leider nicht mehr allzuviel übrig.  Die Kernfusion in Sternen zerstört das Lithium sehr effizient und der Lithiumgehalt des Weltalls nimmt seither ab. Nur in Braunen Zwergen, dort wo es nur eine dahinschleppende Kernfusion gibt, dort findet man noch beachtenswerte Lithiumsignaturen im Spektrum.  Die Lithiumlinie ist sogar ein Charakteristikum für Braune Zwerge.  Auch Planeten konservieren Lithium. Auf der Erde sind die Atome ja erstmal sicher.

Das Lithium gibt den Astronomen noch einige Rätsel auf.  Die Bilanzen passen irgendwie nicht. So gibt es alte Sterne, die einen zu geringen Lithiumanteil haben. Einige jüngere Sterne haben zu viel Lithium. Unsere Sonne zum Beispiel müsste mehr Lithium nach der Vorstellung der Astronomen haben.   Es scheint Alles im Allen komplexer zu sein, als gedacht.  Die Erklärungsansätze sind vielseitig.  Zum einen geht man davon aus, dass Lithium heute noch in den großen Molekülwolken entsteht, wenn dort Atomkerne zusammenprallen.  Somit würden neue Lithiumatome ins Weltall kommen. Die Kernfusion in Sternen verbraucht zwar das Lithium. Aber auch da gibt es wohl Unterschiede.  Je heißer der Stern, desto effizienter ist die Lithiumvernichtung. Diese geschieht aber trotzdem immer noch nahe des Sternzentrums, wo die Kernfusion stattfindet.  Das Lithium kann durch verschieden Mechanismen dort hingebracht werden. Es sinkt wegen der größeren Dichte einfach ab oder es wird konvektiv ins Sterninnere geführt. Möglicherweise spielen auch die Gezeitenkräfte von Planeten eine Rolle.  Die Sternmaterie wird ja von Planeten sozusagen umgerührt. Die genauen Umstände um das Schicksal des Lithiums sind noch nicht im Detail ermittelt.

Und nun findet man in Trumpler 5 noch einen weiteren Baustein des Lithiumrätsels- ein alter Stern mit hohen Lithiumanteil.  Die Astronomen schließen daraus, dass nicht nur die großen Molekülwolken Lithium synthetisieren können.  Auch in Sternen können unter bestimmten Bedingungen bedeutende Mengen Lithium entstehen.  Es wäre natürlich möglich, dass sich Trumpler 5 #3416 gerade einen Braunen Zwerg einverleibt hat. Aber als wahrscheinlicher wird die Synthese angesehen.  Es ist sogar davon auszugehen, dass das primordiale Lithium fast völlig verschwunden ist und das Lithium durch „sanfte“ Fusionsprozesse neu entsteht. Aus Supernovae kommt es wohl nicht. Diese Reaktionen sind zu energiereich und vernichten das Lithium in ihrer Umgebung.