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Leuchtende Nachtwolken

Das war schon ein außergewöhnlicher Abend, der 21.Juni 2019. Der ganze nördliche Himmel war bis über den Zenit mit Leuchtenden Nachtwolken verschönert. Ein silbriger Schleier, fast apokalyptisch wirkend, überzog den Himmel.  Die leichte Dynamik der Wolken war gut zu beobachten und mit der zunehmenden Dämmerung zogen sich die Wolken auch nach Norden zurück.  Tief im Norden konnte man sie noch eine lange Zeit sehen, aber nach Mitternacht waren auch dort keine Silberschleier  mehr sichtbar. Am darauffolgenden Tag war von den Leuchtenden Nachtwolken gar nichts zu sehen.  Sie sind eben doch selten und nicht vorhersagbar.  Die Chancen, diese Wolken zu Gesicht zu bekommen sind aber in den Monaten Mai bis August in unseren Breiten gar nicht schlecht. Ein Wolkenspektakel, wie an jenem Juniabend 2019 ist vielleicht die Ausnahme.

(NLCs über Borken am 21.Juni 2019)

Leuchtende Nachtwolken sind übrigens ein Phänomen, das erst in den letzten Jahren in Mode gekommen ist.  Die Geschichte dieser Wolken begann im Jahr 1883, als der Vulkan Krakatau in der Nähe von Java  ausbrach und Staub und Aerosole in die hohe Atmosphäre katapultierte. Die Vulkanasche sorgte in den nächsten Monaten weltweit für farbenprächtige Sonnenuntergänge.  Die bemerkenswerten Sonnenuntergänge inspirierten nicht nur Künstler, wie Edvard Munch, der die Atmosphäre auf dem Gemälde „Der Schrei“ festhielt.  Astronomen beobachteten zu dieser Zeit zum ersten Mal das Phänomen der Leuchtenden Nachtwolken. Es ist etwas kurios, warum die Wolken erst so spät entdeckt wurden. Die Astronomen beobachten den Himmel eigentlich schon seit vielen hundert Jahren. Offenbar gab es keine spektakulären Ausbrüche.  Die Erforschung der Wolken begann also erst  im Jahr 1885.   In Deutschland waren es die Astronomen Wilhelm Förster und Otto Jesse von der Berliner Sternwarte, die sich den Wolken wissenschaftlich näherten. Mit  Höhenbestimmungen durch Triangulation kamen die Sternforscher zu der Erkenntnis, dass diese Wolken in über 80 km Höhe entstehen. Sie haben also nichts mit dem normalen Wettergeschehen zu tun. Ihr Reich ist oberhalb der Mesosphäre, was die Forscher damals schon sehr verwunderte. Dieser Bereich der Atmosphäre ist heute auch fast ein weißer Bereich in der Atmosphärenforschung. Wetterballone und Flugzeuge erreichen diese Höhe von 80 km nicht.  Raketen durchstoßen diesen Bereich sehr schnell. Sicher ist aber, dass die Atmosphäre dort sehr dünn und sehr, sehr trocken ist. Auch ist sie mit -90°C sehr kalt, Werte bis -150°C wurden sogar gemessen.   Die Mesopause ist in den Sommermonaten besonders kalt. Es sind also umgekehrte Verhältnisse zu den bodennahen Schichten.  Für die Bildung von Wolken fehlen nun kleine Staubpartikel und etwas Wasser, welches an den Staubpartikeln kondensieren kann. Die Partikel liegen im Bereich von wenigen Nanometer Größe. Der Staub und andere Aerosole können durch Vulkanausbrüche in die hohe Atmosphäre getragen werden.  Auch Wasser kann auf diesen Weg in über 80km Höhe getragen werden. Wenn in den Sommermonaten die Sonne nicht tief unter den Horizont tritt, werden die Kondensationskeime noch von der Sonne angeleuchtet und treten dann als Leuchtende Nachtwolken in Erscheinung.  Die kondensierten Eiskristalle sind so klein, dass die förmlich mit dem Wind, der in der Mesopause herrscht, mitgetragen werden. Sie breiten sich dann mitunter mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h aus.

Die Erforschung der Leuchtenden Nachtwolken ist noch in den Kinderschuhen. Ein Einfluss der Sonnenaktivität ist zu vermuten, aber konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden.  Bei schwacher Sonnenaktivität können mehr Teilchen der kosmischen Strahlung in die Mesosphäre eindringen und Kondensationskeime bilden.  Auch wird vermutet, dass erhöhte Sonnenaktivität die Mesosphäre aufheizt.  Tatsächlich beobachtet man stärkere Aktivität der Leuchtenden Nachtwolken nach dem Sonnenaktivitätsminium. Das würde die negative Korrelation zwischen Sonnenaktivität und Auftreten  der Leuchtenden Nachtwolken bestätigen.

In den letzten Jahren wächst das Interesse an Leuchtende Nachtwolken.  Es scheint so, als ob die Leuchtenden Nachtwolken in der jüngsten Vergangenheit öfter zu beobachten sind. Sicherlich ist das gestiegene Interesse und die Möglichkeit der Kameraüberwachung ein Grund für die Mehrbeobachtungen.  Es gibt aber auch die Vermutung, dass der menschliche Einfluss sich sogar in der Mesopause bemerkbar macht.  Der Ausstoß von Treibhausgasen erwärmt die Atmosphäre, insbesondere die Troposphäre. Die Mesosphäre kühlt aber stärker ab. Und je kälter die Mesopause , desto größer die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Nachtleuchtender Wolken. Das Methan in der Atmosphäre spielte auch eine Rolle. Durch menschliche Aktivitäten erhöht sich der Anteil an Methan in der Atmosphäre seit 200 Jahren deutlich.  Der  erhöhte Methananteil sorgt dafür, dass Wasser in die hohe Atmosphäre kommen kann. UV-Strahlung zerstört das Methanmolekül. Der freiwerdende Wasserstoff bindet Sauerstoff und bildet Wasser,  das an den winzigen Staubpartikeln kondensieren kann.

 Nun werden noch Kondensationskeime vermehrt durch Überbleibsel der Weltraumfahrt in die Mesosphäre getragen.  Das Zusammenspiel unserer Aktivitäten begünstigt die Entstehung Nachtleuchtender Wolken.  Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Leuchtenden Nachtwolken erst am Ende des 19. Jahrhunderts bemerkt wurden.

Die Leuchtenden Nachwolken sind schön anzusehen und vielleicht ein Mahnzeichen für uns. Unsere Aktivitäten verändern den Planeten und auch die sensible Gashülle um ihn herum. Dessen sollten wir uns bewusst sein.

In Deutschland beschäftigt sich das Leibniz-Institut in Kühlungsborn mit der Beobachtung der Hochatmosphäre. Mit Hilfe von Radarmessungen werden dort die „Wetterverhältnisse“  im Bereich der Mesosphäre beobachtet.

Für den Beobachter von Leuchtenden Nachtwolken ist das OSWIN-Radar eine gute Hilfe. Die Online-Daten stehen unter : OSWIN – Mesosphäre – Forschung – Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik, Kühlungsborn (iap-kborn.de) zur Verfügung. Die Leuchtenden Nachtwolken erzeugen starke Echos, die auf Leuchtende Nachtwolken hinweisen. Allerdings sind die Messungen lokal. Ob wir in Borken, wo wir 500 km nordwestlich von Kühlungsborn leben, ebenso etwas sehen, ist  nicht sicher. Aber trotzdem sind die Daten aus dem Nordosten besser als keine Daten.