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Die Polarring-Galaxie NGC 660

Das Universum ist jung und es passiert noch so viel. Wir bemerken nicht so viel davon, weil unsere Milchstraße ein eher ruhiger Ort ist, zumindest während unserer Zeit. Möglicherweise ist das eine Bedingung für die Entstehung höher entwickelten Lebens. Die Astronomen beobachten Galaxien, in denen es ganz anders aussieht. Galaxien mit extremer Sternentstehung zum Beispiel. Es gibt einige dieser Starburst-Galaxien, wie sie unter Astronomen genannt werden. Die Amateur-astronomen schauen da gerne auf die Galaxie Messier 82 im Großen Bären, deren Erscheinungsbild einer explodierenden Zigarre ähnelt. Warum eine Galaxie zur Starburst-Galaxie wird , das kann viele Ursachen haben. Mit der kleinen Galaxie NGC 660, bei der es hier um diesen kleinen Aufsatz gehen soll, haben wir es mit einer Starburst-Galaxie zu tun, die noch ein weiteres Merkmal aufweist. Sie ist eine der seltenen Polarring-Galaxien.

Polarring-Galaxien sind etwas ganz besonderes. Die Astronomen nehmen an, dass diese Galaxien das Ergebnis vom Zusammenstoß zweier Galaxien sind, die sich im Winkel von 90 Grad durchwandern . Die Masse der kleineren Galaxie konzentriert mit ihrer Anziehungskraft die Sterne der größeren Galaxie nach innen und hinterlässt einen sternenarmen Raum. Die äußeren Spiralarme können als Ring erhalten bleiben, weil sie die Gravitation der kleineren Galaxie nicht spüren. Nach dem Durchdringen kann sich die kleine Galaxie in vielen Fällen wieder entfernen. Die ursprüngliche Spiralgalaxie ist aber durch diesen Eingriff in ihrer Struktur gestört und tritt als Polarring-Galaxie in Erscheinung. Die Wagenradgalaxie im Sternbild Bildhauer ist ein Musterbeispiel einer Polarring-Galaxie. Leider ist sie wegen ihrer geringen Deklination in Mitteleuropa nicht zu beobachten. Aber wir wollen uns NGC 660 anschauen, die im Sternbild der Fische ein gutes Ziel für den mitteleuropäischen Beobachter ist. NGC 660 ist vermutlich durch einen Verschmelzungsprozess zweier Galaxien zur Polarring-Galaxie geworden. Der Ring der Galaxie und das kompakte Zentrum sind um etwa 60 Grad gegeneinander geneigt. Zudem zeigt der Ring noch eine sichtbare Verbiegung, die auf den gravitativen Einfluss der nördlicher liegenden Galaxie IC 148 zurückzuführen sein könnte. Der Zusammenstoß der beiden Galaxien ist nach Simulationsmodellen etwa eine Milliarde Jahre her. Das passt gut mit den beobachteten Sternpopulationen im zentralen Bereich der Galaxie zusammen. Dort befinden sich zahlreiche ältere und mittelalte Sterne, die ein gelbliches Licht aussenden. Im Ring um den kompakten Kern befinden sich viele blaue Sterne, die noch recht jung sind. Dort gibt es aktive Sternenentstehung. Auch der zentrale Bereich der Galaxie zeigt hohe Aktivität. Der Gasanteil der Galaxie NGC 660 ist ungewöhnlich hoch. Die Verschmelzungsprozesse führen zur Sternenentstehung . Dabei entstehen auch massereiche Sterne, die nur eine kurze Brenndauer haben und in Supernovae vergehen. Solche Supernovae regen durch ausgesendete Schockwellen weitere Sternentstehung an. Es entsteht eine Art Kettenreaktion, deren Aktivität die Starburst-Galaxien auszeichnet. Im Jahr 2012 entdeckten Radioastronomen eine helle Quelle nahe des Zentrums der Galaxie NGC 660. Wegen der raschen Veränderlichkeit sollte die Quelle nicht größer als 32 Lichtjahre groß sein. Es könnte ein kompakter Sternhaufen sein, der noch sehr jung ist. Tief im Staub der Galaxie versteckt , kommt nur die Radiostrahlung zur Erde durch. Das ist typisch für Starburst- Galaxien und macht sie für die Forschung interessant. In den meisten Galaxien findet man in den Zentren nur noch alte , rote Sterne, was man am Erscheinungsbild gut nachvollziehen kann.

NGC 660 ist sicherlich ein spannendes Labor für die Astrophysik. Die schnelle Bewegung der Sterne des äußeren Rings lassen auf das Vorhandensein von Dunkler Materie schließen.

Immerhin finden sich ca. 580 Referenzen in der ADS-Datenbank. Die Galaxie ist gerade mal 45 Millionen Lichtjahre entfernt und man kann mit guten Teleskopen noch feinere Details auflösen. Sie ist mit 100.000 Lichtjahren im Durchmesser etwa so groß wie die Milchstraße . Selbst Amateurteleskope liefern ansehnliche Bilder. Visuell ist sie nicht so leicht zu erkennen. Sie hat nur eine Flächenhelligkeit von 14 mag. Die visuelle Helligkeit ist mit 10.7mag angegeben. Sie wurde von Wilhelm Herschel im Oktober 1784 entdeckt. Die Galaxie liegt 2,7 Grad südlich von Messier 74, einer großen Spiralgalaxie im Sternbild Fische.