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Staub und ferne Galaxien

Die Milchstraße ist voller Staub. Das vermuteten die Putzkräfte unseres Planeten wahrscheinlich schon seit langem . Der Staub an sich ist aber dunkel und leuchtet nicht selbstständig. Deswegen ist er uns weitgehend verborgen. Wir sehen in als Reflexionsnebel in der Nähe heller Sterne oder tatsächlich als schwarze, sternloser Bereich im Band der Milchstraße. Die sogenannten Dunkelnebel sind schon lange bekannt, wurden aber erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erforscht. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts entdeckten Astronomen noch mehr Staub zwischen den Sternen. Bereits 1976 fand der amerikanische Astronom Allan Sandage den „Galaktischen Zirrus“ . Hierbei zeigt sich der staubige Hintergrund der Galaxie durch die Reflexion des Lichts der Milchstraße. In Fachkreisen wird der Galaktische Zirrus auch als Integrated Flux Nebula (INF) bezeichnet. Man kann sich sicher vorstellen, dass das Leuchten dieser allgegenwärtigen Staubwolken besonders schwach ist. In den 2010er Jahren erreichten die amateurastronomischen Gerätschaften die Leistungsfähigkeit , den Galaktischen Zirrus abzubilden. Sehr lange Belichtungszeiten sind erforderlich, aber die Ergebnisse verschlagen einem oft die Sprache. Der Staub ist nicht gleichmäßig in der Milchstraße verteilt. Es gibt Bereiche, die recht arm an Staub sind. Andere Bereich zeigen schöne Verdichtungen und wolkenartige Strukturen, die wie Gemälde aussehen.

Das Team von Astronomen um Leo Magnani, Leo Blitz und Laurie Mundy untersuchte diese Staub- oder Molekülwolken und katalogisierte sie dazu. Man findet ihre Arbeit als MDM-Objekte.

Ich bin per Zufall auf einem hellen Bereich des Galaktischen Zirrus gekommen, als ich die Himmelsdurchmusterung des DSS2 in Augenschein nahm. Im nördlichen Bereich des Sternbild Pegasus, an der Grenze zur Andromeda fand ich eine Struktur, die für mich wie ein flüchtender Vogel aussah. In einer Septembernacht , genauer am 19. September 2025, nahm ich meine ersten Bilder dieses Bereichs auf, der nördlich des Sterns SAO73272 und südlich der Nebelregion LBN 467 lag. LBN 467 ist übrigens ein Eintrag des Lynds Bright Nebula-Katalogs und damit bestimmt auch ein lohnenswertes Ziel. Insgesamt waren gute 6 Stunden Belichtungszeit erforderlich, um den galaktischen Staub sichtbar zu machen, obwohl er schon zu den helleren Wolken seiner Art gehört.

Ich musste ein wenig recherchieren bis ich herausfand, ob diese anonyme Region des Galaktischen Zirrus bisher benannt worden ist. Aber weil sie wirklich sehr auffällig und hell ist, war sie im MDM-Katalog unter dem Eintrag 56 bekannt. Auch im PGCC Katalog für Gasnebel fand sich einen Eintrag unter PGCC G102.72-25.98 . Die Region ist offensichtlich schon früheren Astronomen aufgefallen.

Also wenn man schon mal einen Himmelsbereich solange ablichtet, dass der Galaktische Zirrus in Erscheinung tritt, dann hat die Aufnahme eine gewisse Tiefe. Und die Tiefe kann man dann wörtlich nehmen , weil man auch tief ins Weltall schauen kann. Die Wolken werden nur 500 bis 1000 Lichtjahre entfernt sein. Genau Angaben wird man nicht machen können, weil es keine kompakten Objekte sind. Entfernungsangaben sind in diesem Fall nicht sinnvoll.

Aufnahme von MDM56 (Sternbild Andromeda) 8″Newton /ZWO Asi 294mm

Untersucht man die Aufnahme, stößt man auf unzählige Galaxien, die sich weit hinter der Milchstraße im Galaktischen Zirrus verstecken wollen. Zum Beispiel WISEA J232647.19 +330610.8 (4) . Diese kleine Galaxie ist 1600 Millionen Lichtjahre entfernt oder die Galaxie WISEA J232555.13+332842.2 (1) , die nur ca. 700 Millionen Lichtjahre entfernt ist. Man findet diese Objekte in der NASA Extra Galactic Database (NED). Auch findet man Messdaten zu den Objekten, wobei die Rotverschiebung z für die Abschätzung der Entfernung relevant ist. Bei fernen Galaxien findet man keine Entfernungsangaben mehr. Oftmals wird nur z als Rotverschiebung angegeben. Die Entfernungen muss man dann selbst errechnen. Sie sind auch von den kosmischen Parametern abhängig. Gute Hilfe ist der NED Wrights Cosmology calculator, der entsprechende Berechnungen durchführt.

Etwas schwindelig werde ich als hart geprüfter Hobbyastronom, wenn es um Objekte jenseits von 2 Milliarden Lichtjahren Distanz geht. Die Entfernungen sind kosmologisch. Das ist einfach unvorstellbar. Obwohl die Distanz von einem Lichtjahr schon unvorstellbar ist. Wenn man oft in diesen Dimensionen arbeitet, gewöhnt man sich etwas an diese Zahlen. Eine wahre Vorstellung hat man nicht. Welche Strecke kann man sich überhaupt noch vorstellen ? Sind es 100, 1000 oder 10000km . Das ist wohl eine philosophische Frage. Der Mond ist jedenfalls nur 385000 km entfernt und das ist etwas mehr als eine Lichtsekunde.

Aber zurück zur Aufnahme von MDM 56 und der Beifang , der mit aufs Bild wollte. Insbesondere SDSS J232657.37+332312.5 (2) , eine Galaxie, die als hellste Galaxie eines Galaxienhaufens aufgeführt ist. Dies Galaxie zeigt eine Rotverschiebung z von 0,40578 . Das bedeutet, dass sie mit mehr als 98000 km/s vor uns flüchtet. Das sind auf jedenfall kosmologische Werte. Besagter NED Wright Cosmology Calculator wirft bei entsprechender Dateneingabe (Hubble-Parameter 72km/s pro MPC und flaches Universum) eine Distanz oder besser gesagt, eine Lichtlaufzeit von 5 Milliarden Lichtjahren heraus. Das Licht der Galaxie wurde ausgesendet, als die Sonne und das Sonnensysttem noch gar nicht da war. . Ich würde auf meiner Aufnahme ein gutes Dutzend Galaxien ausmachen, die zu dem Galaxienhaufen gehören. Übrigens wäre noch zu erwähnen, dass wir die Galaxien in dem Zustand sehen, wie er vor 5 Milliarden Jahren gewesen ist. Das gilt nicht nur für die äußere Erscheinung. Auch die räumliche Erscheinung ist zu berücksichtigen, was folgendes bedeutet. Das Universum war vor 5 Milliarden Jahren kleiner als heute und die Galaxien waren näher beisammen. Die Expansion treibt die Galaxien und Galaxienhaufen immer weiter auseinander. Auch der Galaxienhaufen um SDSS J232657.37+332312.5 war uns näher, nämlich 3,56 Milliarden Lichtjahre. Das ist immer noch unfassbar weit. Unser Bild der Galaxie zeigt sie , wie sie vor 3,56 Milliarden Jahren aussah. Aufgrund der Expansion des Weltalls sehen wir also sozusagen ein Jugendfoto des Galaxienhaufens. Der Blick in die Vergangenheit ist nicht so tief, wie es die jetzige Entfernung erwarten lassen würde.

Wer nun noch Freude hat und noch nicht tief genug in die Aufnahme abgetaucht ist, der kann sich noch in die Welt der Quasare begeben. Exemplarisch zu nennen wäre der Doppelquasar SDSS J232624.65+331600.2 (3), der vielleicht sogar eine Gravitationslinse darstellen könnte. Das bedeutet im Prinzip, dass es sich um einen Quasar handelt, dessen Licht durch eine große Masse zwischen dem Quasar und uns durch die Raumzeitverzerrung so verändert wird, dass wir zwei Lichtquellen sehen. Diese sind können, wie bei einer richtigen Linse, etwas heller erscheinen. Die Rotverschiebung der beiden Objekte ist fast gleich gemessen mit z=1,688. Dieser Wert würde eine Lichtlaufzeit von 9,5 Milliarden Jahren ergeben. Das Universum war zu dieser Zeit gute 4 Milliarden Jahre alt. Der Vorläuferstern unserer Sonne durchwanderte die Milchstraße vielleicht noch. Mit der Vorstellung dieser Dimensionen ist es zu entschuldigen, dass wir nur zwei schwache Pünktchen auf der Aufnahmen sehen.

Aber wir müssen an dieser Stelle vielleicht mal festhalten, dass das ferne Licht von einem kleinem Teleskop mit 20cm Öffnung und einer Amateur-üblichen Kamera aufgenommen wurde. Ich finde das immer noch sehr beeindruckend nach all der Zeit, die ich mich mit den Sternen beschäftige.