Die großen Sternentstehungsgebiete am heimischen Firmament sind gern besuchte Beobachtungsziele der Sterngucker. Der imposante Nebel im Orion, der um die hellen Trapezsterne leuchtend eine sehr aktive Sternentstehungsregion darstellt, ist wohl die bekannteste Region. Aber auch der Lagunennebel und der Schwanennebel in der Sommermilchstraße sind Orte intensiver Sternentstehung. Die Nebel aus rotleuchtendem Wasserstoffgas, das durch die Anwesenheit heller, leuchtkräftiger Sterne zum Leuchten angeregt wird, sind visuell und auch fotografisch sehr auffällig.
Sterne entstehen aber nicht nur in den leuchtenden Wolken der Milchstraße. Auch in den dunklen Ecken des der Milchstraße beginnen junge Sterne ihre Entwicklung. In der Region des Sternbilds Stier gibt es eine riesige Staubwolke aus der an einigen Stellen die Geburtsstätten der neuen Sterne durchschimmern – der Taurus-Molekül-Komplex.
Sternfeldaufnahme im Stier. Die riesige Taurus-Molekülwolke nimmt praktisch den östlichen Teil des Sternbild Stiers ein. Das Rechteck markiert den Himmelsausschnitt einer Aufnahme mit 400 mm Brennweite durch eine Canon DSLR.
Einige Ausläufer der Molekülwolke finden sich auch nördlich des Sterns Aldebaran. Der Staubnebel aus Lynds Dark Nebula-Katalog (LDN) 1549 ist so ein Nebel. Dieser Dunkelnebel scheint ein Fenster zu haben, durch das man in das Innere des Nebels schauen kann. Der Nebel Sharpless 2-239 schimmert durch den dunklen Staub der Molekülwolke. Wie der Eingang zur Hölle könnte man meinen, sieht man das feurige Herz einer Sternentstehungsregion. Die Region ist hochdynamisch. Junge Sterne räumen in heftigen Ausbrüchen mit dem Sternenwind ihre Umgebung frei. Dabei wird der Staub und das Gas aus der Sternentstehungsregion mit mehreren 10 bis 100 Kilometern pro Sekunde fortgeblasen und stößt mit dem Staub der umgebenden Materie zusammen. Astronomen bezeichnen diese Art von Objekten als Herbig-Haro-Objekte.
Der Dunkelnebel LDN 1549 mit dem Nebel Sharpless 2-239 (Teleobjektiv 400mm Brennweite, mod. Canon 700D).
Der Nebel Sharpless 2-239 beinhaltet einige Herbig-Haro-Objekte. In der direkten Umgebung findet man 14 dieser dynamischen Wolken, die von den jungen Sternen fortgetrieben werden. Mit Amateurmitteln sind vier dieser Wolken gut zu beobachten, zumindest fotografisch. Die Wolken HH28, HH29, HH 151 und H30 findet man auf langbelichteten Aufnahmen der Region um Sharpless 2-239.
Im Dezember 2019 beschäftigte ich mein Teleskop einige Nächte damit, den Nebel mit 800 mm Brennweite aufzunehmen. Die Objekte sind sehr lichtschwach, so dass insgesamt 12 Stunden Belichtungszeit nötig waren, um ein einigermaßen tiefes Bild zu bekommen. Die Aufnahmen entstanden mit einem 8“ Newton und einer Artemis 4021 –Kamera (LRGB –Filtersatz ). Der Himmel war während der Aufnahmen nicht immer optimal. Leichter Dunst sorgte für ein Himmelshelligkeit von bis zu 20,2 mag/arcsec mit dem SQM gemessen.
Die Aufnahme nach 12 Stunden Belichtung. Der feuerrote Nebel SH2-239 inmitten des Dunkelnebels LDN 1249.
Der Taurus-Molekülwolkenkomplex wird mit einer Entfernung von 450 Lichtjahren angegeben. Das ist für Milchstraßenverhältnisse nicht sehr weit. Die theoretische Auflösung meiner Fotoausrüstung beträgt 1,88 Bogensekunden pro Pixel. In einer Entfernung von 450 Lichtjahren entspricht das einer Größe von ca. 260 Astronomischen Einheiten oder 38 Milliarden Kilometer pro Bildpixel. Das ist schon eine beschauliche Strecke…
In den 50er Jahren wurde der gesamte Nordhimmel am Palomar Observatorium auf Fotoplatten gebannt. Diese Fotoplatten wurden in den 1980er Jahren eingescannt und als DSS –Fotoplatten digital veröffentlicht. Die Aufnahmen sind online verfügbar und es ist möglich, eigene aktuelle Aufnahmen mit den Aufnahmen des DSS zu vergleichen.
Ich habe dazu eine Aufnahme aus dem Jahr 1955 mit der aktuellen Aufnahme aus dem Dezember 2019 verglichen. Es liegen also fast 65 Jahre zwischen den beiden Bildern. Was hat sich da getan?
Bei der direkten Überlagerung der Aufnahmen fielen zwei Bereiche besonders auf. Die Nebelfetzen der Herbig Haro-Objekte HH28 und HH29 haben sich um zwei bis drei Pixel nach rechts verschoben. Dies scheint eine Ausdehnung zu sein, die etwa 600 bis 700 Astronomischen Einheiten entspricht. (oder etwa 100 Milliarden Kilometer) . Für die Zurücklegung einer derartigen Distanz muss sich die Wolke mit sagenhaften 50km pro Sekunde bewegen. Das ist eine Geschwindigkeit, die für Herbig Haro-Objekte nicht untypisch ist.
Das Hubble Space-Teleskop hat sich ebenfalls für diese Region interessiert und vor einiger Zeit das Herbig Haro-Objekt HH30 angeschaut. Zugegebenermaßen eine sehr hochaufgelöste Aufnahme, die deutlich den typischen Materiejet des Herbig Haro-Objekts zeigt. Aus dem Veränderlichen V1213 schießen hochfokussierte Jets . Oberhalb der Jets befinden sich leuchtende Materie aus Gas und Staub.
Die tolle Aufnahme lässt erahnen, welche Naturgewalten dort in Aktion sind. Mit Amateurmitteln ist es zwar nicht möglich, die ganze Dramatik sichtbar zu machen. Dennoch macht es Spaß, sich mit den Aufnahmen auseinanderzusetzen. Die Forschungen um diese Objekte begannen erst in den 1940er Jahren und sind mit den Namen der Astronomen George Herbig und Guillermo Haro verbunden, die unabhängig voneinander diese Objekte studierten.
Das erste entdeckte Herbig Haro-Objekt war übrigens der Nebel um den Stern T Tauri, ebenfalls des großen Molekülkomplexes im Sternbild Stier zugehörig. Der Nebel wurde bereits 1852 vom Astronomen John Russel Hind entdeckt und ist als Hinds veränderlicher Nebel bekannt.
Hinds veränderlicher Nebel ist das erste bekannte Herbig Haro-Objekt um den Veränderlichen T Tauri